2 Wintergeschichten für ein Forum


Glitzernde Pracht

Der frischgefallene Schnee, der die Landschaft zudeckt, als hätte jemand eine, mit weißer Bettwäsche bezogene Steppdecke darüber gelegt, um alles, was sich darunter nun verbirgt, vor der Kälte zu schützen, schluckt jedes Geräusch.

Noch sind die weißen Kristalle unberührt und fast jungfräulich rein, doch bald wird dick besohltes Schuhwerk ihnen die Unschuld nehmen. Bald werden Reifen ihr Profil in dem kühlen watteweichen Teppich aus weißen Flocken hinterlassen, als pressten sie eine Botschaft hinein, deren Sinn doch schon rasch sinnlos wird, kaum dass sie der Vergänglichkeit zum Opfer fällt.

Doch noch schläft das Land.

Noch hauchte der warme Atem des Ofens den Eisblumen, die Väterchen Frost an den Fensterscheiben der Häuser blühen ließ, nicht das Dasein aus.

Noch gehört der Moment der Stille dem einsam Staunenden.

Noch ist die Nacht Herrin über den Himmel, aus dem alle Sterne gleichzeitig zu fallen scheinen, um die Erde in ihren kristallenen Festkleidern zu besuchen.

Bevor sie landen, auf den Dächern, den Wipfeln und Gipfeln, fordert sie der forsche Winterwind noch zu einem Tänzchen auf und wirbelt die leichten Flocken hinauf, hinunter und um sich selbst, bis ihnen ganz schwindelig wird und sie sich ausruhen wollen.

Lange werden sie wohl nicht verweilen.

Nicht dass sie nicht bleiben wollten. Nicht dass es sie zum raschen Aufbruch drängt.

Nein, sie würden gerne bei uns rasten, uns mit ihrer glitzernden Pracht erfreuen, doch ist dies kein gastfreundlicher Ort, an dem man sie willkommen heißt und sie einlädt, ihren Zauber bei uns zu verbreiten und so nahen schon die Sohlen schweren Schuhwerks, die sie achtlos zertreten und die Reifen donnern heran, walzen über sie, lassen Furchen zurück in denen zu lesen steht:“ Ihr seid hier nicht erwünscht!“

Ein Trost vielleicht, dass auch sie vergänglich sind. (287 Worte)


Winter

Es soll ja durchaus Menschen geben, die den Winter als schöne Jahreszeit empfinden, In der Regel sind das vor allem Snowboarder und Skiläufer oder Leute, die keine Sorge haben, sich die Knochen zu brechen, wenn sie sich auf eine rutschigen Eisfläche begeben, um sich auf dünnen Kufen auf ihr fortzubewegen.

Mit Sicherheit können auch Kinder der frostigen Jahreszeit ihr Gutes abgewinnen, denn mit dem Schlitten die Hänge hinunterzurodeln soll ja ein großes Vergnügen sein – zumindest solange, wie genügend Schnee dafür vorhanden ist, denn über Geröllspitzen zu sausen, oder gar mit dem Hintern auf solchen zu landen, wenn die Schneeschicht nicht ausreicht, unbeschadet darüber hinwegzugleiten, birgt einen eher geringen Spaßfaktor. Zumindest für einen selbst. Andere könnten das durchaus lustig finden.

Für die meisten anderen, nicht Wintersportler, die das Erwachsenenalter wenigstens an Jahren erreichten, ohne sich den Hals zu brechen, irgendwelche Gelenke zu verrenken oder Bänder bei alpinen Sportarten zu zerren, bringt zumindest das Eintreffen erster weißer Flocken pünktlich zum Heiligabend die dafür nötige Weihnachtsstimmung.

Man mag geteilter Meinung über den Sinn und Unsinn des Schneefalls und das damit oft verbundenen Verkehrschaos sein, aber zur Christmette, da sind sich die meisten einig, gehört die weiße Pracht eben dazu wie die Sahne zum Erdbeerkuchen.

Aber einmal abgesehen von der vielbesungenen weißen Weihnacht, bietet der Winter – zumindest in den tiefergelegenen Bereichen des Landes – selten das Postkartenpanorama, wie man es aus Wintersportorten kennt, sondern hält vor allem für die Autofahrer allerlei Unannehmlichkeiten bereit.

Daran mag es also wohl liegen, dass viele Leute den Winter höchstens im Urlaub, zur Weihnachtszeit oder bestenfalls am Wochenende genießen und ansonsten lieber darauf verzichten wollen. (266 Worte)